Keine Chance für Loverboys

 

 

Mittlerweile scheint der Vorfall vergessen zu sein und es läuft richtig gut, wie Lea findet. Sie kann David alles erzählen und er scheint auch auf alles die Antworten zu kennen, die ihr verborgen bleiben. Lea erzählt David, dass ihre Freunde ihn als schlechten Umgang für sie bezeichnen. Die beiden sind sich einig, dass Leas Freunde total intolerant und unreif sind. Sie dagegen ist sehr reif für ihr Alter, schließlich schlafen sie und David seit Kurzem auch miteinander – die Anderen haben das noch nie gemacht und verstehen das auch nicht.

 

Neulich erwischte Leas Mutter die beiden beim Kiffen in der Gartenhütte. Sie ist total ausgerastet. Lea ist sich sicher, ihre Mutter ist neidisch, weil sie so etwas nicht in ihrer Jugend machen konnte. Die meisten Menschen um sie herum kotzen sie einfach nur noch an – zumindest wenn sie mit David unterwegs ist. Wenn sie abends am Esstisch mit ihrer Familie sitzt und wieder einmal spürbar schlechte Stimmung herrscht, weil sie zu spät nach Hause gekommen ist oder wenn sie die Enttäuschung in den Augen ihrer Mutter sieht – wegen ihres „Verhaltens“, wie Mama es betont, dann tut es ihr schon etwas leid und fast weh, dass sich alle solche Sorgen um sie machen. Dabei ist doch alles in Ordnung.

 

Damit ihre Eltern sich wieder etwas beruhigen können, hat sie mit David vereinbart, sich nur noch außerhalb ihres Hauses zu treffen. Zunächst war er sehr wütend auf Leas Eltern, sie könne doch schließlich ihre eigenen Entscheidungen treffen. Aber letztlich gab David verständnisvoll nach. Sie besucht ihn jetzt immer häufiger in der WG von seinen Kumpels in der er seit Neustem wohnt, drei wirklich lustige Kameraden, allesamt ein bis zwei Jahre älter als er.

 

In der WG ist es super, hier gibt es niemanden, der ihnen etwas vorschreibt. Sie können hier laut Musik hören, trinken, rauchen, Playstation auf dem riesigen Fernseher spielen, müssen nichts sofort aufräumen oder leise telefonieren.

Bisher hat David für alle Kleinigkeiten und Unternehmungen gezahlt. Schon fast geknickt kam er dann vor Kurzem zu ihr und bat sie um ein bisschen Geld, um ihm auszuhelfen. Für Lea war das kein Problem, schließlich hatte sie ja Schulden bei ihm - irgendwie.

 

In letzter Zeit fragt er sie häufiger nach Geld, es scheint ihm in dieser Hinsicht wirklich nicht gut zu gehen, aber zum Glück hat er ja sie – sie ist für ihn da, immer.

Lea erklärt David, dass sie ihn bald nicht mehr finanziell unterstützen kann. Sie ist schließlich Schülerin und verdient kein eigenes Geld. Wenn sie einen Nebenjob annehmen würde, könnte sie ihn nicht mehr sehen. David versucht schon seit Wochen einen Job zu bekommen, leider erfolglos. Er behauptet, es liege an seinen schlechten Noten, welche er nur bekommen hat, weil die Lehrer ihn nicht mögen. Lea findet es ziemlich unfair, Menschen nach Zahlen auf einem Papier zu beurteilen und nicht nach ihren Fähigkeiten. Sie würde ihn gerne zu den Vorstellungsgesprächen begleiten, aber er geht lieber alleine, sagt er.

 

David erklärt Lea, es sei nicht zwingend notwendig einen Nebenjob zu suchen. Er habe einen guten Kumpel, der auch schon oft in der WG zu Besuch war. Dieser möchte gerne mit Lea ausgehen. Lea weiß nicht so recht, worauf David hinaus will? Möchte er, dass Lea mit anderen Jungs ausgeht? Warum will er das? Sein Freund würde sie dafür bezahlen - vor allem wenn sie ihre besondere Wäsche dabei trägt.

Lea wusste nicht, ob sie weinen oder schreien soll. Meinte er das ernst? Die Beiden schrien sich eine ganze Zeit lang an, Lea liefen die Tränen nur so aus den Augen und sie stürmte aus der WG. Heute wollte sie niemanden mehr sehen.

 

Zuhause machte Lea komplett dicht. Sie konnte gar nicht fassen, was David da von ihr verlangt hatte. Wollte er tatsächlich, dass sie für ihn mit anderen Jungs schläft? Lea wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. Als ihre Mutter am nächsten Morgen anklopfte und sagte „Es ist schon spät, du musst dich für die Schule fertigmachen“, war sie schon längst wach. Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Aus lauter Fassungslosigkeit, aber auch Traurigkeit, die sie überkam, wenn sie daran dachte, David nicht mehr zu sehen. Schließlich liebte sie ihn doch und wollte ihm helfen.

 

 

 

Plötzlich klingelte es an der Tür und Leas Mutter, die nicht besonders gut auf ihn zu sprechen war, ließ David herein und sagte Lea nur in einem unmotivierten Ton Bescheid, dass David sie zur Schule begleiten möchte. Wie aufdringlich, dachte Lea. Gleichzeitig war sie aber auch überrascht und erhoffte sich natürlich eine Entschuldigung von ihm. Dann würde alles wieder gut werden.

 

Sie stieg in Davids Auto ein. David wollte mit ihr reden, gestern sei alles aus dem Ruder gelaufen. Lea war erfreut darüber, dass ihr Freund so einsichtig war. An der Schule jedoch fuhren sie vorbei. „Ich dachte, du bringst mich zur Schule, David?“ „Ja, gleich.“ sagte er. „Erst sollten wir in Ruhe in meine WG fahren und uns noch einmal unterhalten.“ Lea gab keine Widerworte, denn auch ihr war es wichtiger das Problem mit David zu klären, als pünktlich in die Schule zu kommen.

Als sie in die Wohnung kamen, saßen auch seine rauchenden Mitbewohner am Küchentisch.

 

Lea fragt sich, wieso sie nicht mit David unter vier Augen reden kann. Wusste er etwa nicht, dass die Jungs auch da sein würden? Einer von Davids WG Mitgliedern fing an: „Hör mal, Lea, David hat uns erzählt, was los ist und wir sind uns einig, dass die ganze Sache doch halb so wild ist.“ Lea schaute David fragend an, welcher sie mit einem seiner süßesten Blicke anschaute und sagte: „Wir haben doch immer von dem Urlaub in Spanien gesprochen, den können wir uns so endlich leisten und sowieso alles, was du dir wünschst.“ Lea fiel es auf einmal wie Schuppen von den Augen – diese „Idee“ schien nicht erst seit gestern zu bestehen und die Jungs wussten schon lange Bescheid. Sie fühlte sich auf einmal wie angegafft, wie ein scheiss Bürostuhl im Möbelgeschäft, bereit für den Verkauf.

Nicht nur die Mitbewohner, sondern auch David wirkten als wäre dies ein Geschäftsmeeting oder so ein Quatsch. Plötzlich überkam sie die Angst, das Ganze sei schon seit dem ersten Tag geplant gewesen – ihr wurde fürchterlich schlecht.

„Ich geh mal kurz ins Bad“ sagte sie.

 

Sie verschloss die Tür und sackte auf den Boden,  mit dem Rücken an die Tür gelehnt. All die schrecklichen Gedanken von gestern Abend kamen wieder in ihr hoch – aber das konnte doch alles nicht wahr sein, er liebte sie doch, oder nicht? Kann man Liebe vortäuschen?

 

Ruckartig lehnte sie sich vor und übergab sich. Einer der Jungs hämmerte an die Tür und fragte, ob er reinkommen soll. Sie wischte sich den Mund ab und schrie, er solle bloß draußen bleiben!

 

Es wurde stark an der Tür gerüttelt. Lea zitterte und schwitzte fürchterlich vor Angst.

Dann war da ein anderes Geräusch. Es hatte an der Wohnungstür geklingelt und Lea hörte wie geöffnet wurde. Sie erkannte die Stimme von Daniel, der sich erkundigte, ob Lea da sei, da sie nicht in der Schule erschienen sei. David wollte ihn schnell loswerden und sagte ihm, Lea sei nicht hier. Aber Daniel entdeckte Leas Rucksack. Die Stimmen wurden immer lauter. Lea ergriff die Chance und sprang auf, stieß einen von Davids Mitbewohner gegen den Flurspiegel und rannte zu Daniel. Sie nahm seinen Arm und verschwand auf der Stelle.

 

Vielen jungen Mädchen erging es bisher schon wie Lea. Doch nicht alle hatten das Glück, rechtzeitig aus den Fängen der Loverboys zu entkommen. Mit einer ganz klaren Masche versuchen Loverboys, die Mädchen erst für sich zu gewinnen, von der Familie und den Freunden abzuschotten und dann langsam in die Prostitution zu drängen. Das Motiv: Geld. Die Ausmaße reichen von kleinen Kreisen, bis hin zu großen Prostitutionsringen.

 

Niemand sollte sich von Freunden und Familie trennen müssen. Niemand sollte zum Sex gezwungen werden. KEINE CHANCE für Loverboys.

 

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KEINE CHANCE FÜR LOVERBOYS © Frauen-Notruf Münster, 2015